Familie ist das was du daraus machst…
Es war Sonntag und es sollte mein Geburtstag gefeiert werden. Ok der war schon am Montag aber nur mit einem kleinen Teil der Familie. Der Rest sollte also heute kommen.
Klar ist ja, das meine jüngste Tochter etwas kränkelt und wir keinen cm Platz zwischen uns lassen. Ok, dann sieht es hier halt aus wie bei Hempels unterm Sofa.
Ist ja Familie, ganz ehrlich? Es nervt mich trotzdem. Ja ich hab mich schon länger von der schöner Wohnen Ansicht verabschiedet und trotzdem schleichen sich die Gedanken immer wieder ein:
Schöner Wohnen oder Chaos pur?
Es muss doch ordentlich sein, was sollen die denken. Ich schaff das nicht. Hab den Haushalt nicht im Griff, andere kriegen das doch auch locker hin usw…
Dann werde ich unruhig und merke das meine Stimmung gleich kippt. Zudem bin ich weder geduscht, noch weiß ich was ich anziehen soll.
Atmen, atmen und nochmal atmen!
Entweder ich bekomme die Kurve, Atme tief durch und nehme die Situation an oder es gelingt mir nicht und ich Motze volle Lotte rum.
Ich mache mir die Situation bewusst, die Menschen die da gleich kommen, bewerten mich nicht und schon gar nicht wie penibel sauber unser Haus ist oder wie viel Spielzeug hier rumliegt.
Ach ja, habe ich erwähnt das ich Kuchen hab kaufen lassen. Auch dieses muss ich annehmen können, ja ich hab nicht selber gebacken aber dafür bin ich entspannt und konnte meiner kleine Tochter viel Trost spenden und kuscheln.
Soweit so gut, ich konnte mich kurz frisch machen und anziehen, während der Papa und meine große den Tisch gedeckt und die Küche begehbar gemacht haben.
Dann kann es ja los gehen und wir warten relativ entspannt auf unsere Familie.
Noch kurz zur Erklärung: ich bin ein Scheidungskind. Meine Mutter hat wieder geheiratet und drei weitere Kinder mit diesem Mann bekommen. Also bin ich um drei Halbgeschwister bereichere worden. Wir haben ganz ehrlich keine allzu gute Kindheit gabt und zu meinen Brüder habe ich bis heute kaum bis gar keinen Kontakt. Meine Schwester und ich hatten immer eine starke Verbindung und sind immer beinander . Einer meiner Brüder hat früh ein Kind bekommen, er und seine damalige Freundin Karin* sind nicht mehr Zusammen und leider möchte er keinen Kontakt zu seinem Sohn. Auch ich habe Karin* aus den Augen verloren, meine Schwester hat allerdings all die Zeit immer wieder Kontakt gehalten. Und so kam es das wir uns vor einiger Zeit wieder getroffen haben und beschlossen das jetzt regelmäßig zu tun. Mittlerweile hat sie ein zweites Kind bekommen mit ihrem neuen Lebenspartner. Sie sind eine tolle Patchwork-Familie geworden.
Soweit über unseren Familienstand.
Langsam trafen alle ein und es wurde eine gemütliche Runde. Ich musste nicht viel machen, denn ich kuscheltet die ganze Zeit mit meiner kleinen Tochter.
Frisch gebackener Kuchen wurde auch noch mit gebracht und zack saßen alle fröhlich am Tisch. Die Stimmung war gut, Kuchen und Torte wurden verteilt. Und das Chaos nahm seinen lauf. Zuerst landetet die Torte nicht auf dem Teller sondern quer über Tisch und Stühle. Ein besorgter Blick seitens meines Mannes, meiner Schwester und dessen Frau trafen mich.
Denn noch vor einiger Zeit wäre das schon Grund für mich gewesen genervt und zickig zu sein. Heute war es einfach so herrlich lustig und alle anderen amüsierten sich ebenfalls gut.
Die restlichen Stücke wurden ohne Unglück verteilt und Kaffee wurde ausgeschenkt. Jetzt besitzen wir aber keine übliche Kaffeemaschine mehr sondern eine French press. Freudig wurde der Deckel runter gedrückt, allerdings mit so viel Druck das es platschte und der halbe Inhalt mit Kaffeesatz über die Tischdecke, Teller und Tassen spritze.
Noch besorgtere Blicke als vorhin schon trafen mich… und ja einen kurzen Moment brauchte ich um zu schauen was passiert war.
Klasse, tatsächlich kam ich aus dem lachen nicht mehr raus und Erwachsene wurden zu Kindern und alle zusammen hatten einen Riesen Spaß. Unglaublich wie glücklich losmachen macht. Genau solche Situationen zeigen mir, das meine Familie und ich auf dem richtigen Weg sind. Gleichwürdig und Wertschätzend.
Das Glück der kleinen Dinge
Ganz ehrlich, so ein wunderbar unperfektes Familienfest habe ich noch nie erlebt und es war das schönste bisher. So viel Liebe und lautes Lachen. Jeder war so unbeschwert und frei… Hach ich komme jetzt noch ins schwärmen.
Am Abend waren wir erschöpft und erfreut zugeleich. Es erreichte mich noch eine Nachricht von Karin. In dieser bedankte sich ihr Freund bei uns allen für die liebevolle Aufnahme seiner Tochter. Pia* war das erste mal mit bei uns, denn sie ist nur jedes zweite Wochenende bei ihrem Papa und Karin. Sie hat sich sichtlich wohl gefühlt und wollte gar nicht mehr weg. Pia* leidet unter schweren Krampfanfällen und ist daher Entwicklungsverzögert, sie braucht viel Unterstützung. Ein wunderbares Mädchen.
Das er sich dafür bedankt brach mir ein bisschen das Herz, denn eigentlich sollte es doch selbstverständlich sein. Für uns zumindest ist es das, denn Familie hat nichts mit den selben Genen zu tun. Familie ist das was wir daraus machen. Wunderbare Menschen, die Miteinander leben, sich kennen lernen und versuchen das bestmögliche aus der Situation zu machen. Das ist gewiss nicht immer einfach. Das weiß ich aus eigener, zum teil schmerzhafter Erfahrung, allerdings ist es möglich.
Ich weiß nicht mehr wann ich zum ersten mal über den Begriff Bonusfamilie gestolpert bin aber ich habe es gleich übernommen und ersetze alle Wörter mit Stief nun mit Bonus. Hört sich das nicht toll an, viel viel wertschätzender und ganz leicht umzusetzen.
Also auch wenn es so oft unfassbar schwer ist am Anfang, es lohnt sich immer für Menschen einzustehen und ihnen eine neue Chance auf eine Familie zugeben. Denn, Familie ist das was ihr daraus macht.
Hier kommst du zu meinem ersten Bloggartikel, viel Spaß beim lesen.
Liebe Grüße Anja
*Namen sind frei erfunden.
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